Frauenhetz & ARGE Demokratie braucht Bildung
Seit 2010 ist die Frauenhetz auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Demokratie braucht Bildung vertreten. Zur Arbeitsgruppe „Demokratie braucht Bildung“, die mit dieser Enquete bereits zum siebten Mal an die Öffentlichkeit getreten ist, gehören die arge region kultur, die Frauenhetz – Feministische Bildung, Kultur und Politik, Joan Robinson – Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens, die Katholische Frauenbewegung Österreichs, die Katholische Sozialakademie Österreichs, die Kammern für Arbeiter und Angestellte für Wien und Niederösterreich, Transform, der Verband Österreichischer Volkshochschulen sowie WIDE -Entwicklungspolitische Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven.
Aktuelles aus der Arbeitsgemeinschaft Demokratie braucht Bildung 2018
Im Mai 2018 hat die Arbeitsgemeinschaft Demokratie braucht Bildung eine Stellungnahme zur Medienenquete der Bundesregierung (7. und 8. Juni 2018) verfasst. Das Bundeskanzleramt hatte um Anregungen zur Enquete ersucht.
Hier geht es zum Volltext der Stellungnahme zur Medienenquete der Arbeitsgruppe Demokratie braucht Bildung
Textauszüge zu Tagungen der ARGE
2017 – Demokratie braucht (Frauen)Bildung
Vortrag am 18.10.2017 von Dr. Birge Krondorfer: Universitätslehrbeauftragte und Erwachsenenbildnerin u.a. in den Bereichen Gender -, Kultur- und Bildungswissenschaften. Seit ihrem Engagement in der autonomen Frauenbewegung beschäftigt sie sich mit politisch-feministischer Bildung, u.a. als (Mit-)Gründerin der selbstorganisierten Wiener Frauenbildungsstätte Frauenhetz – Feministische Bildung, Kultur und Politik’ und in der Arge ‘Demokratie braucht Bildung’.
Zusammenfassung: Bildung wird heute zumeist als Produkt verstanden, das auf unmittelbare Handlungs-relevanz, auf Qualifikationen sowie praktikable Kompetenzen ausgerichtet ist und nicht mehr als emanzipatorischer Prozess, der mit Entfaltung und gesellschaftlicher Relevanz einhergeht. Die Ökonomisierung bestimmt sowohl Inhalte als auch Formen von Bildung.
Feministische Bildung fordert kritische (Selbst)Reflexion von Lehrenden und Lernenden und eine Auseinandersetzung mit den Normen des Systems.
Mehr zum Thema: Volltext hier
2016 – Bildung und Demokratie: Ohne Solidarität ist alles nichts
Rund 140 Personen aus Bildungseinrichtungen, Gewerkschaften und anderen Institutionen und Organisationen waren der Einladung der Arbeitsgruppe gefolgt.
Wo es darum gehe, „Gesellschaft“ zu „bilden“, brauche es immer die Ausbildung selbständigen Denkens, die Entwicklung einer solidarischen Haltung sowie den Zusammenschluss von Menschen zum gemeinsamen Tun, so Ehs. Und es brauche ein „Geschichtsbewusstsein“, das Wissen darüber, „wie etwas geworden ist“. Gegenwärtig sei festzustellen, dass im gesellschaftlichen Diskurs eine „retrospektive Utopie“ Platz greife: „Die PolitikerInnen reden von Sachzwängen und vermitteln das Gefühl, es gäbe keine Wahl, keine Alternativen zum Bestehenden.“ Das lasse die Menschen in Nostalgien flüchten, sich zurücksehnen nach „besseren Zeiten“, die noch auf Zukunft ausgerichtet waren: „Was die Politik heute betreibt, ist eine Abschaffung des Versprechens auf Zukunft“. Nach mehr als 30 Jahren neoliberaler Politikpraxis befänden sich Politik und Gesellschaft in einem „Hamsterrad an Abwehrkämpfen“ mit der einzigen Idee von Zukunft, dass es „nicht noch schlimmer kommen“ solle. Vor diesem Hintergrund erkläre sich das Erstarken rechter Kräfte, die mit der Angst der Menschen arbeiten. Auftrag der Bildung sei es in diesem Kontext, sich „gegen die Abschaffung von Zukunft“ zu wappnen und Räume zu schaffen, um Alternativen und „Zukünfte“ zu eröffnen. „Bildungsarbeit muss politisch betrieben werden“, so Ehs, es gelte, Ungleichheiten als Grund für Spaltungen sichtbar zu machen, den Projektionen rechter Kräfte entgegenzutreten.
Formelle bürgerliche Demokratien nur mehr Inszenierungen
Ulrich Brand, Professor für Internationale Politik an der Universität Wien, identifizierte im Gespräch mit Birge Krondorfer von der Frauenhetz die gegenwärtigen formellen bürgerlichen Demokratien als bloße „Inszenierungen“: ihre Hüllen bestünden noch, tatsächlich seien sie unter dem Diktat von Standortwettbewerb und anderer neoliberaler Kategorien leer gelaufen. Demokratie und Kapitalismus seien „ziemlich beste Feinde“, da sich Eigentumsrechte demokratischer Spielregeln entzögen. Selbst den Eliten sei die Demokratie als Ort der Aushandlung von Regeln entglitten, die Devise laute gegenwärtig „rette sich, wer kann“. Die Verteilungsungerechtigkeit, die die Lebensverhältnisse von immer mehr Menschen prekär mache, würde nicht in den Blick genommen, dafür würden Flüchtlinge zur Projektionsfläche von Abstiegsängsten.
Mündigkeit, Handlungskompetenz, Alltagsverstand
Im Zentrum politischer Bildung müsse zunächst die Mündigkeit von Menschen stehen, ein aufklärerischer Prozess, der unter anderem die „Unterwerfung“ unter Bildungsinstitutionen voraussetze. Außerdem gehe es darum, „Handlungskompetenz“ zu entwickeln, damit sich Menschen kritisch in den vorherrschenden Verhältnissen bewegen könnten. Und es brauche ein Anknüpfen am „Alltagsverstand“ von Menschen, an ihrer Wahrnehmung von Welt und der Widersprüchlichkeit von genereller Neuerungsfeindlichkeit einerseits und Erfahrungen von Ungerechtigkeit und Unterdrückung andererseits.
Imperiale Lebensweise aufgeben
Politische Bildung müsse an jenen Orten ansetzen, an denen diese Widersprüchlichkeit manifest würden, etwa auf betrieblicher Ebene. Ihr Ziel sei es, Erfahrungen zu verarbeiten und eine Haltung zur Welt zu schulen, die einer „imperialen Lebensweise“ entgegentrete – sowohl auf Ebene des Konsums wie auch auf Ebene der Produktion. Brand: „Wir müssen beispielsweise ein Bewusstsein schaffen dafür, wo unser Fleisch her kommt, was industrielle Tierfabriken bedeuten, aus welchen Bestandteilen unser handy zusammengebaut ist, wer unter welchen Umständen die Rohstoffe dafür liefert“. Ungerechtigkeiten im Süden der Welt gelte es auch mit einem „Privilegienverzicht“ in wohlhabenden Gesellschaften entgegenzutreten, mit der Entscheidung, als Mitglied dieser Gesellschaften die eigene Lebensweise zu ändern.
Entscheidend sei die Frage nach dem guten Leben für alle jenseits der Wachstumsmaxime eines neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Die Frage nach einer Zukunft dieser Art müsse Bildung vorantreiben. Die Perspektive des Neoliberalismus laute dagegen: „Klappe halten, mitmachen – dann bleibt alles, wie es ist.“
In einem zweiten Teil der Tagung beschäftigten sich die TeilnehmerInnen in Workshops mit konkreten Orten und Projekten, „Lernräumen“ für Differenzierungs- statt Spaltungshandeln – so etwa Gemeinwesenarbeit, Kunst- und Kulturarbeit, betriebliche Bildungsarbeit, Basisbildungsarbeit und gender/kritische Erwachsenenbildungsarbeit.
Die Arbeitsgruppe „Demokratie braucht Bildung“ wird Inhalte der Tagung in ihre weitere Arbeit aufnehmen. Das Schaffen einer gemeinsamen Vorstellung von angstfreier Zukunft sowie von antiimperialen Lebensweisen soll die Arbeitsgruppe leiten. Wenn wir von Demokratie sprechen, gilt es auch den Begriff zu schärfen, der im Spannungsfeld zwischen Idealvorstellungen von Demokratie und real existierender Demokratie liegt. Weiters ist die Stärkung von Lernorten ein Anliegen, die kritische politische Bildung ermöglichen, sowohl in urbanen Zentren als auch in ländlichen Regionen.